Ein Gesprächsabend mit Professor Daniel Bogner und Generaloberin Edith-Maria Magar thematisiert die Gründe für einen Machtmissbrauch in der katholischen Kirche. Gewaltenteilung wird gefordert.
Christsein wird heute oft mit Unfreiheit und Gängelung verbunden, weil in der Kirche wie in einer hierarchischen Monarchie Macht von oben ausgeübt wird. Diese Erfahrung ist nach Meinung von Professor Daniel Bogner ein grundlegender Aspekt der heutigen Krise der katholischen Kirche, die in dem Gesprächsabend „Was macht Macht in der Kirche?“ thematisiert wurde. Macht kann sich negativ auf Menschen auswirken, kann ängstigen, frustrieren oder lähmen, meinte Maria Fischer, Vorsitzende des Düsseldorfer BKU (Bund katholischer Unternehmer), die das Gespräch der Reihe „Katholische Kirche – Dialog 2.0“ moderierte, zu dem rund 150 Besucher auf Einladung der Bürgerstiftung Gerricus, des ASG-Bildungsforums und des Pfarrgemeinderats sowie der Gruppe Maria 2.0 der Pfarre St. Margareta in den Stiftssaal von St. Margareta gekommen waren.
„Macht ist weder schlecht noch gut, erst die Erfahrungen mit Macht sind ausschlaggebend, wie diese zu sehen ist“, präzisierte die Co-Referentin des Abends, die Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, Edith-Maria Magar. Auch wer Gutes durchsetzen wolle, brauche Macht. So solle die Kirche die Menschen ermächtigen, das Leben frei zu gestalten, denn Gott habe den Menschen als freies Wesen geschaffen, ohne Unterschied der Würde von Mann und Frau. Deshalb sei eine synodale Kirche nötig, „in der Christen einander zuhören und aufeinander zu gehen“, so Magar. Aber die Kirche sei heute hierarchisch organisiert, Amtsträger wollten Anweisungen durchsetzen.
In einem Orden wie den Waldbreitbacher Franziskanerinnen dagegen werde eine synodale Struktur verwirklicht, erklärte Magar und nannte Beispiele: Die Ordensobere werde nur für sechs Jahre gewählt und könne nur einmal wiedergewählt werden, dann sei sie wieder einfache Schwester. Im Ordenskapitel herrsche eine Kommunikation auf Augenhöhe. Oder in einem Generalrat würden alle Entscheidungen gemeinsam besprochen.
„Die Macht in der Kirche muss neu gestaltet werden“, fordert auch Bogner. Die grundlegende Krise nach dem Doppelskandal – Missbrauch und dessen Vertuschung – werfe die dringliche Frage auf, was an der Kirche faul sei. Für Bogner, Professor für Moraltheolgie in Fribourg und Autor des Buches „Ihr macht uns die Kirche kaputt“ ist eine Antwort: „Der Inhalt der Botschaft vom gerechten, barmherzigen Gott, der den Menschen in Freiheit geschaffen hat, passt nicht zu der Form der katholischen Kirche mit ihrer monarchisch-hierarchischen Struktur.“ Da eine falsche, fehlerhafte Form die inhaltliche Botschaft – ähnlich wie bei einem Gedicht – verfälsche, müsse sie geändert werden.
Die heutige Form der Kirche fuße auf der theologischen Kernaussage, das Heil der Seele zu ermöglichen. Wie das Heilshandeln Gottes für den Menschen Wirklichkeit werden kann, machten nach Auffassung der Kirche Bischöfe und Priester durch ihr persönliches Handeln sichtbar. Die Legitimation dafür sei ihnen von Gott durch die Weihe gegeben. Aber wenn sie bei ihrem Handeln die Interessen der Menschen ignorierten, führe dies zu Machtmissbrauch. Denn, so Bogner: „Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, Einwände und andere Sichtweisen sind nicht zugelassen.“ Die Kirche schließe so generell aus, dass Christen selbst in einer Gemeinde wirksam werden könnten. Darunter würden auch Priester leiden, die der Gemeinde zur Seite stehen wollten und dann in der monarchischen Hierarchie zurückgepfiffen würden.
Nötig sei eine Gewaltenteilung wie in einer Demokratie. Diese Staatsform habe die Garantie der Menschenwürde und der Freiheit zum Kern-Inhalt, erklärte Bogner. Diese Form passe auch zu der christlichen Überzeugung von der gottgewollten Würde und Freiheit des Menschen. Bogner sieht als Konsequenz: „Die eingefrorene Struktur der Kirche muss aufgetaut werden mit den Prinzipien der Welt, in der die Kirche lebt – die demokratische Verfasstheit.“
Text: Michael Brockerhoff
Fotos: Annette Schüller