Die Wahl der jungen Frau ist auf den blauen Tornister mit dem Rennauto gefallen. Glücklich sagt sie: „Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Frau Schmitz!“ Die Mutter eines sechsjährigen Jungen ist die Erste, die sich an diesem Tag einen neuen Schulranzen für ihr Kind aussuchen darf. Als Ingrid Schmitz, ehrenamtliche Mitarbeiterin der Caritas-Diakonie-Sprechstunde dazu noch ein jeweils passendes Feder- und Schlampermäppchen, eine Turntasche sowie Farbkasten, Pinsel, Zeichenblock und Sammelmappe unter der Acrylglasscheibe durchreicht, ist die Frau in der bordeauxroten Bluse einen Moment lang sprachlos vor Freude.
Nach vier Monaten Schließzeit wegen Corona ist die Caritas-Diakonie-Sprechstunde der katholischen und evangelischen Kirche in Gerresheim an diesem Dienstag erstmals wieder geöffnet, allerdings nur für Eltern von Kindern, die im August eingeschult werden. Zwei Mal erhielten die Besucher der Caritas-Diakonie-Sprechstunde Post mit Lebensmittelgutscheinen und hilfreichen Telefon-Nummern. Eltern von Schulanfängern bekamen nun in einem weiteren Schreiben einen Termin mitgeteilt, an dem sie ein nagelneues Schulranzen-Set auswählen und weitere Schulsachen mit nach Hause nehmen dürfen. Die Kosten für die Ausstattung der insgesamt 40 i-Dötzchen aus Familien, die es finanziell gesehen schwer haben, teilen sich die Bürgerstiftung Gerricus und die evangelische Stiftung „Gerresheim Gemeinsam“. Das Spielwarenfachgeschäft „Hobby und Spiel Müller“ stellt die Tornister und die Schulutensilien zum Einkaufspreis zur Verfügung.
Es ist die siebte Gerresheimer „Tornisteraktion“, bei der sich – wie schon in den Jahren zuvor – die Bürgerstiftung Gerricus, die evangelische Stiftung „Gerresheim Gemeinsam“ und „Hobby und Spiel Müller“ zusammengetan haben – unterstützt von der evangelischen und katholischen Gemeinde in Gerresheim.
„Unser Ziel ist in all den Jahren dasselbe geblieben: Mit der Aktion wollen wir verhindern, dass man Kindern am Tornister und an den Schulutensilien ansieht, dass sie in finanziell schwierigen Verhältnissen leben“, erklärt Michael Brockerhoff, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Gerricus.
Inès Seitz, Vorstandsmitglied der evangelischen Stiftung „Gerresheim Gemeinsam“ ergänzt: „Gerade in diesen schwierigen Zeiten wollen wir dazu beitragen, dass bei den Familien die Freude über die Einschulung der Kinder im Vordergrund steht und dass sie sich keine Sorgen um die Finanzierung der teuren Erstausstattung machen müssen.“
„Ohne die Unterstützung durch die beiden Gerresheimer Stiftungen sowie ‚Hobby und Spiel Müller‘ wäre die Ausstattung der Schulanfänger nicht möglich“, betont Ingrid Schmitz, die die Tornisteraktion seit 2014 organisiert.
In diesem Jahr war der Organisationsaufwand durch die strengen Hygieneauflagen noch viel größer als sonst. So mussten Einladungsbriefe eingetütet und frankiert, Räume vorbereitet, Eingänge markiert, Trennwände aufgebaut und Desinfektionsspender installiert werden. Aber Ingrid Schmitz und ihre Kolleginnen und Kollegen, die bei der Ausgabe der Schultornister helfen, sind froh, nach so langer Zeit endlich wieder einige Besucher der Caritas-Diakonie-Sprechstunde sehen und mit ihnen sprechen zu können. Die 73-jährige ehemalige Lehrerin ist an diesem Tag allerdings auch ein wenig wehmütig, denn es ist ihre letzte „Tornisteraktion“. Ende Dezember möchte sie nach zehn Jahren ihre ehrenamtliche Tätigkeit in der Caritas-Diakonie-Sprechstunde beenden.
Ingrid Schmitz hat viel Herzblut in jede einzelne Tornisteraktion gesteckt. Doch sie hat in den vergangenen sieben Jahren auch viel Dankbarkeit zurückbekommen. „Leuchtende Kinderaugen“ habe es immer gegeben, zum Teil sogar überschwängliche Reaktionen der Eltern. „Einmal ist mir eine Mutter vor Freude um den Hals gefallen. Ein anderes Mal hat eine Afrikanerin nach der Tornisterübergabe im Gemeindesaal einen Freudentanz aufgeführt,“ erzählt Schmitz.
Die junge Frau mit dem Rennauto-Tornister hat inzwischen ihre Sprache wiedergefunden. Sie bedankt sich nochmals nachdrücklich, packt Farbkasten und Pinsel in den Schulranzen, klemmt sich die Sammelmappe samt Zeichenblock unter den Arm und verlässt fröhlich winkend den Raum. Sie ist schon sehr gespannt auf die Reaktion ihres Sohnes beim Anblick des neuen Tornisters.
Die Bürgerstiftung Gerricus freut sich über Spenden für die Caritas-Diakonie-Sprechstunde, die Bedürftigen in Gerresheim das ganze Jahr über hilft. Zusätzlich zu besonderen Aktionen wie die Finanzierung von gefüllten Schultornistern benötigt die Caritas-Diakonie-Sprechstunde jährlich rund 100.000 Euro an Spenden für Essens-, Lebensmittel- und Drogeriegutscheine.
Text und Fotos: Angelika Fröhling